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Dr. Brigitte Kaul
Vorwort
Thomas Grochowiak – langjähriger Direktor der Städtischen Museen und somit auch der Kunsthalle – hält als Künstler Einzug in »sein« Haus. Reflexionen – Bilder wie Musik und Reisebilder – heißt der Titel der Ausstellung, die einen umfassenden Oberblick über diesen dominierenden Themenkreis in Grochowiaks Schaffen gibt.
Thomas Grochowiaks Passionen sind u. a. Reisen und Musik. Um diese beiden Pole dreht sich sein Künstlerleben. Inspirationen, die aus dieser Quelle kommen, fließen unmittelbar in seine Arbeit ein. Für uns normale Musikfreunde oder -konsumenten, für uns Gewohnheits-Touristen, mag das im ersten Moment nicht verständlich erscheinen, aber – bei guter Kunst ist das immer so offenbart sich manches erst auf den ersten oder zweiten Blick. Man muss intensiv hinsehen, um entdecken zu können. Und zu entdecken gibt es in Grochowiaks Bildern viel. Da sind die Reisebilder von der China-Reise: Dunkler im Ton als beispielsweise die Spanienbilder und mit kalligraphischen Zeichen versehen. Die Musikbilder – oft farbig heiter und voll malerischem Rhythmus – regen geradezu an, die jeweiligen Kompositionen nachzuhören.
Zu Grochowiaks Gestaltungsweise: Dynamik ist das eigentliche Stichwort, mit dem sich Grochowiaks Kunst am besten kennzeichnen lässt. Doch zur Dynamik – man könnte auch Bewegung sagen – gehört Ruhe, die sich in vielen der hier gezeigten Bilder gleichfalls ablesen lässt. Einer verschleifenden Bewegungsfülle – wie man sie aus der Barock- und Rokokokunst kennt – stehen statische Bildelemente gegenüber, die abbremsend wirken. Wenn starke, erlebte und gesehene Farbigkeit in einem Bild vorherrschen, setzt Grochowiak mit künstlerischer Sicherheit einen schwarzen Akzent – einen Ruhepol, bei dem das geforderte Auge verweilen kann.
Die Gestaltungsmittel des Malers sind u. a. Linie, Körper und Farbe. Die Linie als ab- und eingrenzendes Element, als raumschaffendes Medium, taucht in manchen Bildern auf- besonders in denen, wo es um die Einbeziehung der weißen Papierflächen in das Kunstwerk geht. Das heißt: das Papier ist nicht nur Träger für Farbe und Form, sondern es erfüllt einen Zweck für sich. Es gibt den Formen den Umraum, den sie zu ihrer Existenz brauchen. Grochowiaks »Körper« sind abstrakt, informell. Sie wollen nicht abbilden, sondern unserer Phantasie Freiraum lassen. Wir können Berge, Blumen, Inseln, Täler – was auch immer – erblicken: dem Künstler ist es gleich. Sein Ziel ist erreicht, wenn unsere Gedanken auf Wanderschaft gehen.
Die Farbe: So merkwürdig es sich anhören mag, aber sie stellt eines der größten Probleme für die Künstler dar. Es gibt z. B. nichts Schwierigeres als unterschiedliche Grüntöne miteinander zu kombinieren. Kein geringerer als Paul Klee brauchte lange Jahre, um das Problem »Farbe« in den Griff zu bekommen. Erst 1914, auf der legendären Tunisreise, rief er recht pathetisch aus: »Die Farbe hat mich«. Orientalische Eindrücke und ideale Lichtverhältnisse waren dem vorausgegangen. Thomas Grochowiak hat die Farbe schon seit langem, obwohl es monotone! monochrome Bilder gibt. Grochowiak hat den Mut zur Farbe, der vielen Künstlern seiner Richtung abgeht. Der Fördermaschinist aus dem Jahre 1950 steht aber bereits an der Schwelle zur Abstraktion, obgleich diesem Werk eine exakte Vorstudie vorausging, verzichtete Grochowiak bei der Umsetzung auf naturalistische Details. Flächig gemalt, werden nur die wesentlichen Eindücke herausdestilliert. Von hier aus war es nicht mehr weit zur absoluten Malerei, die den Gegenstand als Ausgangspunkt total verneint. Mine der 50er Jahre hat Grochowiak dieses Ziel endgültig erreicht. Endgültig deshalb, weil es schon frühere Arbeiten gibt, in denen das absolute Gestaltungsprinzip angelegt ist. Gleich welche Stilrichtungen im Laufe der Jahrzehnte den Markt beherrschten, Thomas Grochowiak blieb sich treu. Wenn auch sein Farbmaterial wechselte, wenn aus kleinen Formaten größere wurden, wenn der Malgrund selbst Form annahm, wenn kalligraphische Zeichen malerischen Strukturen wichen – die typische Handschrift blieb. Und nicht erst seit heute hat Thomas Grochowiak seinen festen Platz in der informellen Malerei. Gleichberechtigt mit Fred Thieler, Karl-Otto Götz und Karl-Fred Dahmen – um nur einige Namen zu nennen – verhalf er dieser Richtung zu internationalem Ansehen. Wenn vom deutschen Informel die Rede ist, fällt der Name Grochowiak.
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