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Sepp Hiekisch-Picard
Thomas Grochowiak
Nachruf. Aus dem Katalog »wir wieder hier« der 33. Übersichtsausstellung des Westdeutschen Künstlerbundes im Kunstmuseum Bochum, 2013.
Mit Thomas Grochowiak verliert der WKB eine herausragende Künstlerpersönlichkeit die für die Kunst der Nachkriegszeit in Deutschland von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.
Thomas Grochowiak war langjähriger Ehrenpräsident unserer Künstlervereinigung, der er schon im Jahre 1947 beitrat und für deren Belange er sich noch bis kurz vor seinem Tode im Alter von 97 Jahren aktiv eingesetzt hat. Er war als Maler, als Museumsmann und als Organisator internationaler Ausstellungsprojekte tätig. Als Mitbegründer der Künstlergruppe »junger Westen«, als Präsident des Deutschen Künstlerbundes, als Mitglied im Leitungsteam der Ruhrfestspiele und in vielen kulturpolitischen Funktionen hat er sich für die Belange der zeitgenössischen Kunst unermüdlich eingesetzt, wofür er zahlreiche Ehrungen vom Bund, vom Land Nordrhein-Westfalen und von seiner Heimatstadt Recklinghausen erhielt. Sein malerisches Werk, das einen Zeitraum von acht Jahrzehnten umspannt, entstand parallel zu seinen zahlreichen Tätigkeiten als Museumsleiter und zu seinem großen kulturpolitischen Engagement. Zahlreiche Einzelausstellungen haben ein künstlerisches Oeuvre, das sich in den Jahren nach seiner Pensionierung 1980 überaus reich und vielfältig entfalten konnte, gewürdigt.
Thomas Grochowiaks beherrschendes Thema ist die Musik, die ihn schon sehr früh zu kalligrafischen Improvisationen angeregt hat. Nachdem er synthetische Tuschen als Malmaterial entdeckt hat, entwickelt sich ein malerisches Schaffen, das sich als lyrische Abstraktion beschreiben lasst, die sich wie eine musikalische Kompositionstätigkeit als freier Umgang mit Farbmelodien und Farbklängen, mit Rhythmik, Strukturen und Intonation darstellt. Zeichenhafte, vom Zufall bestimmte subtile Lineaturen werden mit verfließenden Farbakkorden und in sich ruhenden Farbflächen in ein sensibles Gleichgewicht gebracht. Musikhören und Musikerleben dienen Grochowiak als Inspiration, um sich assoziativ und intuitiv seinem malerischen Thema zu nähern, er malt dabei nicht nach Musik, sondern er malt wie Musik: »Ich höre und erlebe im Konzertsaal und bei weitem häufiger durch Television und Cassettenrekorder Musik. Manches bleibt bei mir hängen, begeistert mich, irritiert mich, stellt mich vor Fragen – wie in der Malerei. Melodien lassen mich nicht mehr los, bestimmte Komponisten und Kompositionen faszinieren mich, bringen sich drängend in Erinnerung. Farbfolgen und bildrhythmische Entsprechungen dazu werden wach, musikalische Passagen in der Vorstellung in Farbkonstellationen umgeschmolzen. Ein Musikerlebnis – den Klang in den Ohren – soll der Auslöser, das Grundthema eines neuen Bildes werden. Der weiße Malgrund wartet schon auf die ersten Töne ...« (Thomas Grochowiak, Bilder wie Musik, 1986). In der Zurückgezogenheit seines Ateliers im badischen Kuppenheim entstehen aus der Zwiesprache des Malers mit der Musik, mit dem weißen Malgrund und seinen Farben, harmonische, von Licht durchflutete Kompositionen von großer Harmonie: Alles Schwere ist in diesen Bildern in einen immateriell anmutenden Schwebezustand versetzt, welcher die Flüchtigkeit des Musikhörens in ein gewissermaßen »hörendes« Sehen übersetzt.
»Die Erschaftung der Welt, sie wird mit jedem Bild, das am Anfang nichts als einen leeren Malgrund bietet, in einem glücklichen schöpferischen Augenblick vielleicht um ein Partikelchen ergänzt«, sagt Thomas Grochowiak 1994 – seine von der Musik inspirierten Bildschöpfungen werden uns fortan sehr fehlen. |